19.04.2023, 13:30

Studie: Dollar-Macht schwindet atemberaubend schnell

Der US-Dollar verliert seinen Status als Welt-Reservewährung schneller als allgemein angenommen. So lautet zumindest die Einschätzung des Londoner Vermögensverwalters Eurizon, der in der Wechselkursvolatilität des Vorjahres ein Warnsignal sieht.

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Der Anteil des US-Dollar an den globalen Reserven sei im vergangenen Jahr zehnmal schneller gesunken als im Durchschnitt der vergangenen zwei Jahrzehnte, heißt es in einer Studie der Londoner Vermögensverwaltung Eurizon SLJ Capital. Sie verweist darauf, dass eine Reihe von Ländern nach Alternativen zum Greenback suchen, nachdem Russlands Einmarsch in der Ukraine umfassende Sanktionen des Westens ausgelöst hat.

Russland-Sanktionen haben "große Reserveländer aufgeschreckt"
"Der Dollar erlitt im Jahr 2022 einen atemberaubenden Einbruch seines Marktanteils als Reservewährung, vermutlich aufgrund der rigorosen Anwendung von Sanktionen", schreiben Eurizon-Chef Stephen Jen und seine Kollegin Joana Freire. "Die außergewöhnlichen Maßnahmen der USA und ihrer Verbündeten gegen Russland haben die großen Reserveländer aufgeschreckt", führen sie aus. Die meisten davon seien Schwellenländer aus dem sogenannten Globalen Süden.

Schöpfer der Dollar-Smile-Theorie
Während seiner Zeit bei Morgan Stanley prägte Jen die Dollar-Smile-Theorie, wonach die US-Währung an Wert gewinnt, wenn die amerikanische Wirtschaft entweder stark wächst oder einen tiefen Einbruch erlebt. Der Bloomberg-Dollar-Index stieg 2022 zeitweise um 16 Prozent, da der Inflationsschub zu Zinserhöhungen führte und die Anleihe- und Devisenmärkte unter Druck setzte. Zum Jahresende war die US-Währung um sechs Prozent stärker als Ende 2021.

Immer mehr Länder wenden sich vom Dollar ab
Seit die USA und Europa russische Banken vom globalen Finanz-Kommunikationssystem Swift ausgeschlossen haben, wenden sich China und Indien vom Dollar ab und wollen die Zahlungsabwicklung ihres Außenhandels internationalisieren. Auch kleinere Länder experimentieren mit der Abkehr von der US-Währung. Der Anteil des Dollar an den gesamten offiziellen Weltwährungsreserven ist laut Eurizon auf 58 Prozent gesunken. Im Jahr 2001, als der Greenback noch die "unbestrittene hegemoniale Reserve" gewesen sei, waren es 73 Prozent.

Globale Vormachtstellung des Dollar "keine ausgemachte Sache"
Trotz Bedeutungsverlust: Die Rolle des Dollar als internationale Währung steht laut Jen und Freire auf absehbare Zeit nicht in Frage. Aufgrund der großen, liquiden und gut funktionierenden Dollar-Finanzmärkte hätten Entwicklungsländer erst einmal nicht die Möglichkeit, sich von Dollar-Transaktionen zu verabschieden. Dennoch sei der Fortbestand dieses Umfelds "keine ausgemachte Sache". Es könnte eine Zeit kommen, in der der Rest der Welt den Dollar aktiv meidet, so die Eurizon-Studie. 

Die vorherrschende Ansicht, dass in Bezug auf den US-Dollar als Reservewährung nichts geschehen sei, erscheine "zu naiv und selbstgefällig". Anleger müssten sich darüber im Klaren sein, "dass der Globale Süden zwar nicht völlig auf den Dollar verzichten kann, aber ein großer Teil keine Lust mehr hat, ihn zu nutzen", so Jen und Freire. (mb/Bloomberg)

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