03.04.2023, 15:45

"Wenn der Makler mehr Zeit benötigt, gewähren wir eine längere Frist"

© Martin Peterdamm / FONDS professionell

Wilhelm Schluckebier, Versicherungsombudsmann: "Die Zahl der Vermittlerbeschwerden ist im Vergleich zu den Beschwerden über Versicherer seit Jahren auffällig gering."

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"Von einem Versicherungsvermittler oder -berater, der zur Teilnahme am Schlichtungsverfahren verpflichtet ist, kann der Ombudsmann ein angemessenes Entgelt erheben. De facto verlangen wir jedoch angesichts der geringen Zahl von Vermittlerbeschwerden kein Geld."

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"Beanstandet wird oft die Beratung, namentlich die Vermittlung nicht benötigter Versicherungsverträge oder von nicht passendem Versicherungsschutz."

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"Auch ohne Entscheidungsbefugnis kommen wir auf eine Erfolgsquote der zulässigen Vermittlerbeschwerden, die sich sehen lassen kann. Sie liegt über die letzten fünf Jahre hinweg zwischen 17 und 31 Prozent."

Wilhelm Schluckebier schlichtet seit vier Jahren als Versicherungsombudsmann Verbraucherbeschwerden gegenüber Versicherern und Vermittlern. Im Interview mit FONDS professionell ONLINE stellt sich Schluckebier Fragen zu Beschwerden über Makler.

Wilhelm Schluckebier arbeitete als Bundesanwalt und später als Richter am Bundesgerichtshof. 2006 wechselte er als Richter ans Bundesverfassungsgericht, wo er bis zu seiner Pensionierung 2017 als Berichterstatter auch für Verfahren aus der Assekuranz zuständig war. Seit April 2019 ist er als Ombudsmann für Versicherungen tätig. FONDS professionell ONLINE traf ihn in seinem Berliner Büro zum Gespräch.


Herr Schluckebier, wie wird der Versicherungsombudsmann aktuell finanziert? Was müssen betroffene Vermittler oder Berater bezahlen?

Wilhelm Schluckebier: Finanziert wird die Schlichtungsstelle durch die von den Mitgliedsversicherern des Trägervereins bezahlten Beiträge und durch Fallpauschalen, die von den Unternehmen für die Beschwerden entrichtet werden. Die Beiträge werden durch eine jährliche Umlage erhoben, die sich an der Höhe der Bruttobeitragseinnahmen des Versicherers ausrichtet. Die Fallpauschalen werden auch für Beschwerden erhoben, die unbegründet waren. Von einem Versicherungsvermittler oder -berater, der zur Teilnahme am Schlichtungsverfahren verpflichtet ist, kann der Ombudsmann ein angemessenes Entgelt erheben. De facto verlangen wir jedoch angesichts der geringen Zahl von Vermittlerbeschwerden kein Geld.

Seit Mai 2007 ist der Verein auch als Beschwerdestelle von Kunden über Versicherungsvermittler zuständig. Wie fällt da die Bilanz der letzten drei Jahre aus?

Schluckebier: Das Resümee ist positiv. Für die Vermittlerbeschwerden haben wir eine eigene Verfahrensordnung. Das Verfahren ist anders ausgestaltet. Es gibt im Zusammenhang mit der Vermittlung von Versicherungsverträgen nicht die Beschränkung, dass der Beschwerdeführer Verbraucher sein muss. Andererseits können wir über einen Versicherungsvermittler nicht verbindlich entscheiden. Die Zahl der Vermittlerbeschwerden ist im Vergleich zu den Beschwerden über Versicherer seit Jahren auffällig gering. Es sind in der Regel nur wenige hundert. Das liegt daran, dass wir immer dann, wenn der Beanstandung das Handeln eines Versicherungsvertreters zugrunde liegt, die Beschwerde als solche gegen das Unternehmen führen, weil der Vertreter in der Regel als Erfüllungsgehilfe des Unternehmens tätig wird. Beim Unternehmen besteht die Möglichkeit, bis zu 10.000 Euro das Unternehmen zu verpflichten. Das ist für Antragsteller günstiger.

Bei Vermittlerbeschwerden sind also vor allem Makler erfasst, was ein schiefes Bild abgibt. Lässt sich das nicht ändern?

Schluckebier: Bei den Vermittlerbeschwerden handelt es sich nicht nur um solche, die sich gegen Makler richten. Es kommt vor, dass Beschwerdeführer ausdrücklich Wert darauflegen, sich nur gegen den Versicherungsvertreter wenden zu wollen, nicht aber gegen den Versicherer. Bei der statistischen Auswertung erfassen wir nicht, wie viele Beschwerden gegen Makler zielen. Es wird aktuell geprüft, das zu ändern.

Sie fordern Vermittler bei Beschwerden zu Stellungnahmen innerhalb von drei Wochen auf. Doch der unabhängige Vermittler darf gar nicht antworten, ehe sein Vermögensschadenhaftpflichtversicherer (VSH) grünes Licht gibt. Wie lässt sich das Problem lösen?

Schluckebier: Wenn der Makler dazu mehr Zeit benötigt, gewähren wir selbstverständlich eine Fristverlängerung. In der Praxis ist das aber bisher kein Problem. Die VSH reagiert erfahrungsgemäß schnell und wir bekommen eine zwischen VSH und Makler abgestimmte Antwort.

Was schätzen Sie, wie viele Beschwerden gegenüber Versicherern auf deren hauseigenen Vertrieb, also die Vertreter entfallen?

Schluckebier: Wie vielen Unternehmensbeschwerden letztlich Vermittlerhandeln zugrunde liegt, erfassen wir ebenfalls nicht präzise. Es spielt für die Beschwerdebearbeitung, abgesehen vom Einzelfall, keine Rolle. Es wäre dennoch interessant. Man kann jedoch aus den Problemschlagworten, die bei Abschluss dieses Verfahrens zur Kennzeichnung der sachlichen Schwerpunkte vergeben werden, auf Vermittlerhandeln schließen. Das kommt etwa in Betracht, wenn das Schlagwort "Falschberatung" im elektronischen Vorgang angeklickt worden ist.

Was sind typische Beschwerden über Vermittler? Und wie kann der Ombudsmann da helfen?

Schluckebier: Beanstandet wird oft die Beratung, namentlich die Vermittlung nicht benötigter Versicherungsverträge oder von nicht passendem Versicherungsschutz. Da die Beweisführung im vereinfachten Schlichtungsverfahren hier mitunter schwierig ist, werden in geeigneten Fällen oft Vergleiche erreicht. In Betracht kommt, dass der Versicherer den Kunden so stellt, als sei er in seinem Sinne beraten worden. Es kommt vor, dass dann etwa auch ein höherer Beitrag nacherhoben wird, weil der Versicherer ein zuvor ausgeschlossenes Risiko nachträglich einschließt, zur Rückabwicklung von nicht gewünschten Versicherungsverträgen oder zu einer Vertragskorrektur.

Anders als bei Vermittlern der Versicherer können Sie bei Beschwerden über unabhängige Vermittler keine Entscheidungen fällen. Woran liegt das und wie können Sie Betroffenen dennoch helfen?

Schluckebier: Richtet sich die Beschwerde allein und ausdrücklich nur gegen den Vermittler, so kann ich nicht bindend entscheiden. Der Grund: Nur die freiwillig teilnehmenden Versicherer haben den Ombudsmann mit der Befugnis zur bindenden Entscheidung ausgestattet. Die Vermittler sind indessen durch staatliche Verordnung zur Teilnahme an einem Schlichtungsverfahren verpflichtet. Deshalb gibt es für die Vermittlerbeschwerden eine eigenständige Verfahrensordnung. Sie sieht die Abhilfe durch den Vermittler, den Vergleich, die Abweisung der Beschwerde – weil sie unbegründet ist – und den Schlichtungsvorschlag vor. Es kommt also weitgehend auf die Überzeugungskraft der vom Ombudsmann angeführten Gründe für den Lösungsvorschlag an. Aber auch ohne Entscheidungsbefugnis kommen wir auf eine Erfolgsquote der zulässigen Vermittlerbeschwerden, die sich sehen lassen kann. Sie liegt über die letzten fünf Jahre hinweg zwischen 17 und 31 Prozent.

Beschwerdebefugt sind gegenüber Vermittlern auch Verbraucherschutzverbände. Wo liegen da die Schwerpunkte?

Schluckebier: Interessanterweise haben wir erst eine einzige derartige Beschwerde gegen einen Vermittler zu verzeichnen gehabt.

Vielen Dank für das Gespräch. (dpo)


Ein ausführliches Interview mit Wilhelm Schluckebier in seiner Funktion als Versicherungsombudsmann lesen Sie in der soeben erschienenen Ausgabe 1/2023 von FONDS professionell ab Seite 242.

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